Sonnensystem

Vulkanmond Io widerlegt Theorie

Trotz Extrem-Vulkanismus hat der innerste Jupitermond keinen Magmaozean

Jupitermond Io
Der Jupitermond Io ist der vulkanisch aktivste Himmelskörper im Sonnensystem. Doch woher nehmen Ios Vulkane ihr Magma? © NASA/JPL

Überraschung am Jupiter: Der Vulkanmond Io hat offenbar doch keinen globalen Magmaozean – anders als seit Jahrzehnten angenommen. Die unzähligen aktiven Vulkane des innersten Jupitermonds speisen sich demnach nicht aus einem großen Reservoir, sondern haben einzelne, voneinander getrennte Magmakammern, wie neue Daten der NASA-Raumsonde Juno belegen. Das wirft auch ein neues Licht auf potenziell flüssige Schichten unter der Kruste anderer Monde im Sonnensystem sowie auf Exoplaneten, wie Forschende in „Nature“ berichten.

Der Jupitermond Io ist der vulkanisch aktivste Himmelskörper im gesamten Sonnensystem. Mehr als 400 vulkanische Zentren und gut 150 aktive Vulkane überziehen die schweflig gelbe Oberfläche des Mondes. Innerhalb eines Jahres produzieren Ios teils gigantische Ausbrüche hundertfach mehr Lava als alle irdischen Vulkane zusammen. Gängiger Annahme zufolge werden die Io-Vulkane aus einem globalen Magmaozean unter der dünnen Kruste gespeist. Geschmolzen wurde dieses Gestein durch die enormen Gezeitenkräfte des nahen Jupiter – das legten noch im Jahr 2011 Magnetfeldmessungen der NASA-Sonde Galileo nahe.

Magnetfeldmessungen der Sonde Galileo
Magnetfeldmessungen legten bisher nahe, dass es unter Ios Kruste einen globalen Magmaozean gibt. © NASA/JPL, University of Michigan/ UCLA

Raumsonde Juno überfliegt Ios Vulkane

Doch jetzt enthüllen Daten der NASA-Raumsonde Juno etwas völlig anderes. Sie flog am 30. Dezember 2023 und am 3. Februar 2024 so dicht am Vulkanmond Io vorbei wie keine Sonde vor ihr – nur 1.500 Kilometer trennten sie von Ios Oberfläche. Während dieser Flybys schickte Juno Radiosignale zur Erde, aus deren subtiler Verzerrung Wissenschaftler die Wirkung des Io-Schwerefelds auf die Sonde ermitteln konnten. Diese Schwerefelddaten erlaubten Rückschlüsse auf die innere Zusammensetzung des Jupitermonds und das Ausmaß der auf ihn wirkenden Gezeitenkräfte.

„Wenn Io einen globalen Magmaozean hätte, müsste die Signatur der von den Gezeitenkräften verursachten inneren Verformung weit größer sein als bei einem steifen, größtenteils festen Inneren“, erklärt der wissenschaftliche Leiter der Juno-Mission, Scott Bolton vom Southwest Research Institute in Texas. „Junos Messungen des Schwerefelds bei diesen beiden nahen Vorbeiflügen müssten uns daher verraten, wie dieser Vulkanmond wirklich funktioniert.“

Kein globaler Magmaozean auf Io

Die neuen Daten enthüllten Überraschendes: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es auf Io keinen in geringer Tiefe liegenden globalen Magmaozean geben kann“, berichten die Forschenden. Die ermittelte Gezeitendeformation des Jupitermonds sei dafür zu gering. Wenn es demnach überhaupt einen Magmaozean im Vulkanmond gibt, dann müsste dieser mehr als 320 Kilometer tief unter der Kruste liegen. Eine solche Schicht geschmolzenen Gesteins würde dann eher dem unteren Mantel der Erde ähneln.

Lokale Magmakammern auf Io
Den neuen Juno-Daten zufolge gibt es unter Ios Kruste nur lokale Magmareservoire, nicht aber einen globalen Ozean aus geschmolzenem Gestein. © NASA/Caltech-JPL/SwRI

Selbst wenn es auf dem Vulkanmond einen tiefer liegenden Magmaozean gibt, kann er nicht die Quelle des Vulkanismus sein, wie Bolton und seine Kollegen erklären. Denn damit die Schmelze in diesem Reservoir erhalten bleibt, müsste sie schwerer sein als das darüber liegende feste Gestein – dann aber könnte das Magma nicht aufsteigen und die Vulkane speisen. „Wir schließen daraus, dass der Vulkanismus auf Ios Oberfläche nicht von einem globalen Magmaozean gespeist werden kann“, schreibt das Team.

Doch woher nehmen Ios extrem aktive Vulkane dann ihr Magma? Nach Ansicht der Forschenden müssen die Vulkane des Jupitermonds – ähnlich wie ihre irdischen Gegenparts – jeweils von eigenen lokalen Magmakammern in Ios Kruste gespeist werden.

Relevant auch für andere Monde sowie Exoplaneten

Diese überraschende Erkenntnis hat Bedeutung weit über den Vulkanmond Io hinaus. „Die Entdeckung, dass selbst extreme Gezeitenkräfte nicht immer einen globalen Magmaozean verursachen, hat auch Folgen für unsere Annahmen über andere Monde im Sonnensystem sowie Exoplaneten“, erklärt Erstautor Ryan Park vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. Das könnte Monde wie Enceladus und Ganymed betreffen, auf denen man einen subglazialen Ozean aus flüssigem Wasser vermutet.

Auch einige Supererden und erdähnliche Exoplaneten könnten demnach in ihrem Inneren anders aussehen als bislang angenommen. Gleichzeitig werfen die neuen Resultate ein neues Licht auch auf die frühe Entwicklung von Himmelkörpern im Sonnensystem, denn für viele Monde und Planeten gehen Forschende bisher von einem primordialen Magmaozean aus. „Unsere Ergebnisse liefern einen Anstoß, auch unser Wissen über die Planetenbildung und -entwicklung zu überdenken“, sagt Park. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-08442-5)

Reise zum Vulkanmond Io.© NASA

Quelle: Nature, NASA/ Goddard Space Flight Center

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